Spatestens seit Platons Staat erhebt die Philosophie den doppelten Anspruch, Bildungsgang des Menschen zu sein und zugleich - als 'Theorie der Erziehung in ihrer allgemeinsten Gestalt' (John Dewey) - verbindlich sagen zu konnen, welche Art von Bildung dem Menschen allein angemessen ist. Diesem doppelten Anspruch folgend, war Philosophie, was immer sie auch sonst sein mochte, vor allem dies: Bildungsprogramm und Theorie der Bildung, d.h. das, was dann Ende des 18. Jahrhunderts Padagogik genannt wird. Programme wie Theorien jedoch bedurfen zu ihrer Verwirklichung konkreter Institutionen in Form von Schulen, Akademien, Universitaten. Diese Transformation lasst die Philosophie nicht unberuhrt: Sie mutiert zum Schulfach und zum Schulstoff, die institutionelle Umsetzung kann ihren Geist verkehren und korrumpieren, sei es bereits durch die Institutionalisierung selbst oder dann durch jene, die in und uber den Institutionen das Sagen haben. Der vorliegende Band ruckt diese Spannung zwischen padagogischem Anspruch und institutioneller Wirklichkeit der Philosophie in den Mittelpunkt - mit Blick auf die aktuellen bildungstheoretischen Debatten.
Es geht zunachst um die allgemeine Frage nach dem Ort und dem Stellenwert der Philosophie in unseren Bildungsinstitutionen, vom Philosophieren mit Kindern bis hin zur Philosophie als gymnasialem Fach und universitarer Disziplin. Es geht aber ebenso auch um die nicht leicht fassbare Frage nach dem philosophischen bzw. unphilosophischen Geist, der unseren Bildungsinstitutionen zugrunde liegt und sie heute beherrscht. Aktuelle Zuspitzung erhalten diese Fragen vor allem in zweierlei Hinsicht: zum einen in Bezug auf die Debatte uber die Einfuhrung von Ethik, praktischer Philosophie oder gar Philosophie selbst als Ersatzfach fur Religion im obligatorischen Schulunterricht und zum andern - nach Bologna - in Bezug auf die Frage nach der Idee der Universitat in der heutigen Zeit.